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18.03.2022 | 21:07

Radivoje Dinulović: Die Pandemie hat alle möglichen Manipulationen verstärkt


Radivoje Dinulović: Die Pandemie hat alle möglichen Manipulationen verstärkt

Der Architekt und Bühnenbildner Radivoje Dinulović, Professor an der Fakultät für Bühnenbild an der Fakultät für Technische Wissenschaften der Universität Novi Sad, glaubt, dass das im Dunkeln Wandern während der Pandemie, dazu geführt hat, dass wir einige neue Führer und Gurus unterschiedlicher Weltanschauungen haben, was er als ziemlich störend empfindet. Besonders besorgniserregend findet Dinulović, dass die beiden Pandemiejahre alle möglichen Arten von Manipulationen und totalitären Ansätzen verstärkt haben.

„Wie die meisten von uns hat mich die Situation mit der Pandemie völlig unvorbereitet erwischt, weil ich nichts Ähnliches erwartet hatte. Als es passierte, sah ich mich mit unterschiedlichen Reaktionen von Menschen in meinem unmittelbaren Umfeld konfrontiert – in der Familie, an der Universität… Wenn wir über die Architektur der Epidemie sprechen, sie war spontan, sie baute sich selbst auf und sie war sehr ungleich. Ich persönlich hatte weder Angst, noch habe ich besondere Maßnahmen ergriffen. Am Anfang habe ich genau zugehört, was sie sagten, und alles vernünftig gemacht. Es wurde jedoch schnell klar, dass dies alles nicht sehr klar oder überzeugend war, und es dauerte mehrere Monate, bis wir erkannten, dass wir niemandem vertrauen konnten. Jeder musste alleine zurechtkommen, eine Grundlage und Unterstützung finden, und das war sehr schwierig. Ich weiß, dass viele sich verloren hatten. Viele Menschen brauchten lange, um zur Besinnung zu kommen, es bedurfte verschiedener Behandlungen, um aus dem herauszukommen, und einige kamen nicht einmal heraus, wie Igor Vuk Torbica, von dem wir wissen, dass er es nicht geschaft hat, und wir wissen nicht, wie vielen anonymen Menschen es so ergangen ist….

Auf der anderen Seite haben einige Menschen auf nichts geachtet, als ob nichts passiert wäre, und dies sind einige Grenzebenen, in denen sich unser Leben bewegte. Beides hat mich berührt…
 
Ich kann der Chronologie von allem, was passiert ist, nicht genau folgen, aber irgendwann setzte diese kleine Lockerung ein, die Zahl der Erkrankten sank, wir dachten, es sei alles vorbei, die Bars und andere Lokale machten auf, wir saßen bis zum Abend, schönes Wetter… Es schien alles wie früher zu sein, und dann kehrte plötzlich alles zum vorherigen Zustand der Epidemie zurück… Es war wie eine Achterbahnfahrt, die wir die ganze Zeit durchlebten. Nach dieser zweiten Welle fing ich an, zur Universität zu gehen, und das hat mich, glaube ich, mental und psychisch gerettet. An der Universität war keine Menschenseele, ich habe auch dort online gearbeitet, aber das brachte mich in einen Rhythmus, in dem ich mich selbst und meine Arbeit als etwas Normaleres erleben konnte, als es die Umstände erforderten. Seitdem versuche ich ständig zurückzukehren und einem neuen Leben näher zu kommen – was auch immer das bedeutet“, sagte Dinulović.

„Das war nicht nur bei uns so. Die Situation war für alle völlig neu und jeder ging anders mit ihr um. Diese Verhaltensunterschiede zeigen, dass alle im Dunkeln tappten und niemand wusste, was zu tun ist. Es stellt sich jedoch heraus, dass dieses Herumirren im Dunkeln dazu geführt hat, dass wir jetzt einige neue Führer und einige neue Erleuchter haben, Gurus unterschiedlicher Sichtweisen auf unsere Welt, und das gefällt mir überhaupt nicht. Was die Gestaltung unseres Lebens betrifft, so ist jeder von uns in eine Situation geraten, in der wir unser Leben bewusst gestalten. Wenn wir uns dessen vorher teilweise bewusst waren – etwas war spontan und alles wirkte authentisch, so sind wir uns jetzt bewusst, dass es größtenteils unsere Entscheidung ist, was wir wollen und was nicht, und dass wir den Preis für beides zahlen“, fügte Dinulović hinzu.

Dinulović ist auch besorgt, dass die Pandemie zu großen Spaltungen in der Gesellschaft geführt hat.

„Ich habe die erste Impfung bekommen, dann auch die zweite, aber ich verstehe Menschen, die das nicht akzeptieren konnten, obwohl ich nicht damit einverstanden bin, aber ich verstehe es als eine Art Abwehr gegenüber jemandem, der uns anordnet, was wir im Leben tun sollen und was eben nicht. Andererseits hat es mich sehr irritiert, weil meine Rechte gefährdet waren: dass jemand denkt, dass etwas für ihn nicht verpflichtend – gefährdet meine Sicherheit, dass ich arbeiten kann, ins Theater gehe, ins Kino gehe, reise…

Dies hat uns alle in einen seltsamen Kontext gebracht, in dem wir mehr denn je geteilt, gespalten sind. Alle alten Teilungen blieben, und einige neue kamen hinzu. Dies hat dazu geführt, dass wir nach verschiedenen neuen Kriterien aufgeteilt wurden, sogar innerhalb derselben Gruppe von Menschen. Es ist nicht mehr nur eine Teilung zwischen links und rechts, was wir immer noch haben, und eine gewisse gesellschaftliche Spaltung, die auch noch vorhanden ist, sondern auch eine neue ideologische, die sich in einem für mich surrealen und absurden Plan widerspiegelt. Es geht darum, ob ich das Medikament nehme und den Impfstoff bekomme, was für meine Generation absurd ist – ich bin ja 1957 geboren. Denn wer hat uns gefragt, ob wir einen Impfstoff wollen? Sie stachen uns wie sie wollten, sie kamen einfach in Schulen… Wenn ich mich heute um meinen Hund oder meine Katze kümmere, und sie regelmäßig impfen lasse, weil der Staat vorschreibt, dass jedes Haustier gegen Tollwut, die eine Gefahr für die Gemeinschaft darstellt, geimpft werden muss – dann ist es für mich völlig normal, auch mein Kind zu impfen. Es mag banal klingen, aber es ist im Wesentlichen die Wahrheit“, sagte Dinulović.

Auf gesellschaftlicher Ebene stellt Dinulović fest, dass das, was in den 1990er Jahren im ehemaligen Jugoslawien passiert ist, heute in der Welt passiert, und es nicht mehr möglich ist, auch nur zu erraten, wen es überhaupt angeht.

„Was uns in den 1990er Jahren passiert ist, passiert jetzt überall … Jetzt zeigt sich, dass sich diese Regression tatsächlich irgendwie mit radikaler Zerstörung überschnitten hat, ich meine vor allem mit der Zerstörung von Kultur. Dies ist heute das grundlegende Problem, und es wird sehr schwer zu überwinden sein, diese Zerstörung der traditionellen Kultur verschiedener Umfelder. Und wenn ich von der traditionellen Kultur unseres Umfelds spreche, meine ich nicht die mittelalterliche serbische Kultur, sondern das Jugoslawien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Es war eine Kultur, die ihre eigenen klaren Züge hatte, klare Konstanten, Perioden, verschiedene Persönlichkeiten und Schöpfer, die bewusst oder unbewusst heraussprangen. Und das gab Leben und Vitalität. Es war erkennbar und es konnte entsprechend entschieden werden. Später geschah es auch an anderen Orten, und ich denke, dass die Welt – und wenn ich Welt sage, meine ich diejenigen, die die Macht haben – aus Gründen, die ich nicht beurteilen kann, aber es scheint mir aus den egoistischsten Gründen – Kulturen wie die der Libanesen, der Iraker, der Iraner, Libyer, Syrer, inzwischen Afghanen, usw. zerstört hat… Ohne jegliche Moral, ohne über die Konsequenzen nachzudenken, über das, was als Nächstes zu tun ist. Es wurde nur wegen der eigenen spezifischen, besonderen Interessen getan, eine Macht aufzubauen oder zu schützen, um Macht zu gewinnen. Dadurch wurden viele Kulturen zerstört. Und jetzt passiert es wieder so radikal, und ich kann nicht beurteilen, ob ich das aus einer eurozentrischen Perspektive so sehe, aus der mir das alles noch dramatischer vorkommt, und vielleicht war es für die Menschen in Afghanistan noch viel dramatischer als für die Menschen heute in der Ukraine. Klar ist nur, dass das Ganze irgendwie übergelaufen ist und man sich nicht mehr konzentrieren kann und was da passiert ist sehr gefährlich. Das ist ein neues Niveau, von dem wir nicht mehr wissen, wen es alles angeht. Es ist offensichtlich, dass das logische Ergebnis die Zerstörung der Individualität und eines gewissen Rechts auf persönliche Meinung ist, der persönlichen Macht, die eine Person haben kann“, sagte Dinulović, Autor von mehr als hundert architektonischen und städtebaulichen Projekten, wichtigen Büchern und einer Reihe von Texten zum Thema Architektur und Wohnkultur und unzähliger Ausstellungen, der unter anderem zehn Jahre lang technischer Leiter des Theaters Atelier 212 in Belgrad war.

*Das ganze Interview (in serbischer Sprache) ist auf diesem Link zugänglich

(SEEcult.org)

Gefördert mit Mitteln aus dem Internationalen Hilfsfonds für Organisationen in Kultur und Bildung 2021 des Auswärtigen Amts der Bundesrepublik Deutschland, des Goethe-Instituts und weiterer Partner, www.goethe.de/hilfsfonds